12Dezember
2019

Vollmond

Ich stehe wieder gegen fünf Uhr auf. Immerhin nach gut sieben Stunden Schlaf. Der Vollmond hat meinem Nachtschlaf augenscheinlich nicht geschadet. Die gestern Abend gekaufte Drachenfrucht ist innen drin magentafarben. Ich traue meinen Augen kaum, so kräftig ist das. Da ist die Telekom fast bleich dagegen. Lustig finde ich auch immer wieder, dass kleine Kirschtomaten in den Obst- und Gemüseabteilungen meist beim Obst zu finden sind.

 

Im Unterricht schließen wir ausgerechnet heute das Thema Lebenshaltungskosten und Hochzeitsvorbereitungen ab. In der Pause zeige ich meiner Lehrerin den Zettel, auf dem der Name des Wollmarktes steht. Leider kann ich nicht alles entziffern und brauche Hilfe. Weit ist es nicht. Sie ist so nett und sucht mir gleich auch noch eine Busverbindung raus.

 

Nach Unterrichtsschluss gehe ich noch einmal ins uigurische Schnellrestaurant. Heute sprechen sie kein Chinesisch miteinander und ich nehme langgezogene Nudeln (wie Spaghetti, nur viel länger) mit Gemüse und ein Tellerchen voller kalter Kartoffelstreifen, die in ziemlich viel Öl beden. Die Hälfte der Nudeln nehme ich später mit. Während ich so am Tisch sitze und esse, kommt eine Frau in das Restaurant und will etwas Vegetarisches bestellen. Das ist das erste Mal, dass ich das so mitbekomme. Sie nimmt dann eine Suppe, liest einen Text von ihrem Handy ab und legt die Handflächen vor der Brust aufeinander, bevor sie zu essen beginnt. Vielleicht eine Buddhistin?

 

Ich gehe zur Bushaltestelle und warte auf Bus 82. Irgendwann kommt er auch. Vielleicht liegt es vor allem an der Uhrzeit, aber im Bus sind eigentlich nur alte Leute und ein paar Studenten. Die Straßen sind dennoch voller Autos. Die Gehwege übrigens meist auch. Parken in der dritten Reihe steht hier hoch im Kurs.

 

Ich steige aus und suche kurz nach dem Weg. Entlang einer großen Baustelle an einer ziemlich großen Straße gehe ich die Hausnummern entlang. Die Baustelle gehört zu einer neuen U-Bahn-Station, der Ausbau wird kräftig vorangetrieben. Hier ist auch ein Theater. Schließlich finde ich den Eingang zum Wollkaufhaus. Ich glaube, ohne Hausnummer hätte ich ihn übersehen, denn unscheinbar ist noch übertrieben. Davor ist auch alles voller Autos. Erst einmal muss ich den Aufzug in den fünften Stock nehmen, dann stehe ich in einer großen Halle, in der sich lauter kleine Stände befinden. Viele davon verkaufen Strickwaren, manche auch Wolle, einer sogar Knöpfe.

 

In oder vor den meisten kleinen Wollläden sitzen meist mittelalte und alte Frauen, die häkeln oder stricken. Vor allem die filigranen Häkelarbeiten beeindrucken mich, auch wenn ich die meisten ehrlich gesagt ziemlich scheußlich finde. Eine junge Frau lässt sich an einem Stand bei ihrem Patentmusterschal helfen. Ich bleibe stehen und schaue auch zu. Da juckt hier keinen.

 

Die Wolle kauft man hier pfundweise, was aber natürlich nicht bedeutet, dass man auch gleich ein Pfund nehmen muss. An manchen Ständen kann man sich auch etwas von großen Spindeln abwickeln lassen. Es gibt auch Wolle, die wird zu einer Art Fell, wenn man sie verstrickt. Ich weiß aber nicht so wirklich, was ich damit machen soll. Und es gibt spindelweise Glitzergarne. Die Nadelspiele sind 40cm lang und bestehen nur auch vier statt wie gewohnt fünf Nadeln. Letztlich kaufe ich braune, rote und türkise Wolle sowie Nadeln. Dann ziehe ich wieder ab. Zu Fuß zum Bus, unterwegs ein paar Fotos von den ganzen Hochhäusern machen, und dann ab nach Hause.

 

Die Sache mit den guten Vorsätzen für den restlichen Nachmittag hat sich mit dem Wollkauf erledigt. Zum Glück habe ich noch genug Nudeln vom Mittagessen übrig, so dass ich mich um das Essen auch nicht mehr kümmern muss. Und es werden noch welche für morgen früh übrig bleiben.