13Dezember
2019

Freitag, der Dreizehnte

Fünf Uhr fünfundvierzig. Wahnsinn. Ich sollte aufpassen nicht zum Faultier zu mutieren. Das wird heute Morgen richtig knapp. Zum Glück halten sich die Hausaufgaben in Grenzen und es sind auch immer noch Nudeln von gestern Mittag da. Auf dem Weg nach unten treffe ich einen meiner Nachbarn. Er raucht erst mal eine im Treppenhaus und rotzt dann noch eine Runde herum. Im Erdgeschoss steht die Frau in Neonkleidung. Sie meint, ihr sei nicht kalt. Heute geht es auch.

 

Wir sitzen heute nur zu dritt im Unterricht. Und ich komme als letzte. Meine Lehrerin findet es absolut köstlich, dass ich einen ausgemachten Blödsinn vorlese, und lässt mich zu ihrer Erheiterung mehr vorlesen als die anderen. Ich trage das mit Fassung. Während der ersten Stunde beginnt es zu schneien. Endlich, will ich fast schon sagen. Schon für Montag war Schneefall angesagt, es kam aber nichts. In der ersten Pause ist die Straße schon ein ganz kleines bisschen weiß. Nach der vierten Stunde dürften es fünf bis sechs Zentimeter geworden sein. Ich bringe meine Bücher nach Hause.

 

Zum Mittagessen gehe ich heute im Nebenhaus in den Keller. Dort bestelle ich mir einen heißen Pott mit Eierfrucht und Kartoffeln und nehme noch ein Tellerchen kalte Vorspeisen dazu. Die darf man sich hier selbst zusammenstellen. Das Grünzeug, das ich fälschlicherweise für Spinat gehalten habe, schmeckt so wie nasses Gras riecht. Die süß eingelegten Gurken hingegen sind richtig gut. Davon habe ich aber nur eine Scheibe genommen. Mist. Und die Baozi, gefüllte und gedämpfte Teigtaschen aus Hefeteig, habe ich gar nicht probiert. Da muss ich wohl noch einmal wiederkommen. (Baozi Wang liegt übrigens am anderen Ende der Stadt!)

 

Nach einer kurzen Mittagspause schnüre ich die Laufschuhe. Vom Muskelkater bin ich verschont geblieben, es hat sechs Grad unter Null und die Schuhe haben ein ganz brauchbares Profil. Sollte gehen. Ich jogge gemütlich zum Campus hinüber und dort dann los. Zuerst geht es einem Schneepflug hinterher. Der stinkt nicht nur zum Himmel sondern auch auf den Fußweg. Die Art und Weise der Schneebeseitigung ist schon spannend. Wunderwaffe Nummer eins: der Besen. Damit lässt sich der frische Schnee ganz gut wegkehren. Wurde er schon festgetrampelt kommt Wunderwaffe zwei ins Spiel: die Schneeschippe. Damit kann man den Schnee vom Boden kratzen, um ihn dann wegzukehren. Die Belegschaft muss mit ran, auch der Koch mit Kochmütze.

 

Es läuft sich richtig gut. Der Schnee knirscht und quietscht unter den Schuhen, wo er noch nicht den Besen zum Opfer gefallen ist. Nach einer Weile komme ich wieder an den Eisblöcken vorbei. Inzwischen sind es deutlich mehr geworden. Die dick eingepackten Arbeiter sägen sie schön eckig. Sie liegen nicht mehr nur rund um den Kreisverkehr, sondern auch längs der Fußgängerzone, wenn man die so nennen will. In den Blöcken stecken Kabel. Ach, sie sollen wohl nachts beleuchtet werden. Oder was heißt nachts? Ab sechzehn Uhr ist es stockdunkel.

 

Noch viel lustiger als die Eisblöcke finde ich allerdings die aufgetürmten Kartons im Innenhof des bestimmt fünfundzwanzigstöckigen Wohnheimes. Was auch immer da drin ist, ich tippe ja auf Fliegengitter, braucht man momentan wohl nicht so dringend.

 

Der restliche Nachmittag geht dann an die warme Dusche, Hausaufgaben und die Mütze, die ich im Flugzeug begonnen habe. Jetzt fehlt nur noch der Abschluss. Bevor ich zum Abendessen aufbreche, stelle ich durch Zufall noch fest, dass meine Deckenlampe eine besondere Funktion besitzt. Macht man sie schnell hintereinander an-aus-an, ändert sich die Farbe des Lichts. Es gibt neonröhrenweiß, widerlichesneonröhrenblauweiß und halbwegswarmesneonröhrenblassgelbweiß. Leider kann meine Schreibtischlampe das nicht.

 

Ich gehe wieder in den Laden mit den Grillspießen, in dem ich letzten Freitag schon war. Heute ist er wieder voller Männer, die kein Bier vertragen, aber trotzdem viel zu viel davon bestellen und trinken. In der nächsten Stunde wird der Geräuschpegel noch merklich steigen. Der Mann, der meine Bestellung aufnimmt, stellt treffend fest, dass ich kein Fleisch mag. Von der netten Frau bekomme ich eine große Portion vom Tigersalat. Die gegrillten Pilze bleiben mir förmlich im Halse stecken. Bei hundert habe ich aufgehört zu zählen, da waren sie noch immer nicht zu Brei zerkaut. Dafür trinke ich heute ein zweites Bier. Auf alle Freitage, den Dreizehnten, und überhaupt. ;-)