28Dezember
2019

Heilongjiang Museum

Der Morgen beginnt mit Kaffee und ohne Baozi. Nanu, was ist los? Wochenende! Ich habe gestern noch eine Art Fladenbrötchen gekauft, das ich mit Erdnussbutter ummantle (weil bestreichen irgendwie untertrieben ist), dazu gibt es, was der Kühlschrank sonst noch so hergibt. Die Sojamilch habe ich auf dem Balkon vergessen, wo sie sich über Nacht in ein Sojaeis verwandelt hat. Sie zieht dann zum Aufwärmen in den Kühlschrank um. Danach erkläre ich dann auch die Gammelwoche für beendet.

 

Ich verbringe den Vormittag mit Wäsche waschen, Sport und meiner Wolle. Wäsche waschen klappt, sportlich gesehen wird es mit der Zeit besser und was die Wolle anbelangt, habe ich jetzt auch endlich eine passende Idee, die nicht mehr total katastrophal aussieht. Draußen ist es grau in grau. Das ist wahrlich mega motivierend das Haus zu verlassen, aber ich habe ja beschlossen nicht mehr zu gammeln. Also mache ich noch was zum Mittagessen warm und gehe dann raus.

 

Ich nehme den Bus in Richtung Museum. Ich weiß aus dem Internet, dass es pro Tag drei Schichten an Eintrittskartenausgaben von je 500 Karten gibt. Man kann auch reservieren. Da ist aber momentan noch ordentlich Luft nach oben. An der Aussteigehaltestelle plärrt mir Jingle Bells mit chinesischem Text aus einem Sockenladen entgegen. Juhu! Ich muss noch über bzw. unter der Straße durch, dann stehe ich vor dem Museum. Händler versuchen direkt vor der Eingangstür ihre Haselnüsse an Mann und Frau zu bringen. Rechts gibt es Tickets. Die Frage nach dem Eintrittspreis bekomme ich nicht beantwortet, dafür scannt man meinen Pass und es gibt das Ticket so. Das gilt für alle. Dann darf ich meinen Rucksack röntgen lassen, eine pseudowichtige Kontrolle mitmachen, Polizeiausrüstung, einschließlich Schilde passieren, und dann geht‘s los.

 

Im Museum befindet sich im zweiten Stock eine Ausstellung über Knochenfunde von Tieren aus längst vergangenen Zeiten. Der naturkundliche Teil. Dinosaurier und Mammuts, aber aber irgendwelche Tiere, die wie die Vorfahren von Rotwild aussehen. Hier sind viele Familien mit Kindern unterwegs. Weiter hinten zeigt die Ausstellung dann Ausgrabungen von Gefäßen. Die gefundenen Scherben wurden mit einer weißen Masse, die die fehlenden Teile ersetzt, zusammengefügt. Sieht echt katastrophal aus.

 

Es geht weiter mit der Geschichte der Provinz Heilongjiang, bzw. eben damit, was früher an diesem Ort war. Hier gibt es Waffen, Schmuckstücke, Kanonenrohre, Bilder, Geschirr und noch so einiges mehr in den Vitrinen zu bestaunen oder zu ignorieren. An der Wand hängt dann auch eine Karte des Qing-Reiches (1644-1911). Die Karte zeigt auch die Inseln, einschließlich der Neun-Striche-Linie, die China im Südchinesischen Meer für sich beansprucht. Was die Qing so nie taten. Ganz spannend, wie die Geschichte da mal wieder kreativ hingebeogen wird. Im letzten Raum kann man dann noch etwas über die russisch-chinesischen Beziehungen vor dem 20. Jahrhundert erfahren, bis es ein Stockwerk weiter unten über Russen in Harbin weiter geht.

 

Ab hier ist das Museum weitestgehend dreisprachig gehalten: russisch, chinesisch und englisch. Das scheint mir auch der deutlich neuere Teil der Ausstellung zu sein. Die Entwicklung Harbins ist ja deutlich mit der Entwicklung und dem Bau der Ostchinesischen Eisenbahn verbunden, die schon Ende des 19. Jahrhunderts die ersten russischen Arbeiter nach Harbin brachte. Und Wurst! Das ist einfach ein bisschen kürzer gewesen, direkt durch die Mandschurei nach Wladiwostok zu bauen, als außen herum. Was später dennoch geschah.

 

Sie kamen in ein Harbin, das damals eher eine Ansammlung von Dörfern als eine Großstadt war, und von den Neuankömmlingen mitgeprägt wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts kamen dann, aus „historischen Gründen“, wie es Museum so schon heißt, immer mehr Ausländer an. Aus dem Blickwinkel des Museum heraus betrachtet, hatten sie wohl meist mit Architektur, Musik, Kirchenbau, Unterrichtswesen und Zigaretten zu tun. Ach ja, und Tiere dürften sie auch ausgestopft haben. Bis sie dann, aus „historischen Gründen“, Harbin wieder verlassen haben. Die Kinder finden das alles nicht so spannend und rennen herum.

 

Ich kaufe ein Kartenspiel mit Bildern von Gebäuden in Harbin und ein Set mit Postkarten, das Verkehrsmittel zeigt. Weil ich nicht das teurere nehme, ist die Frau am Verkaufsschalter wohl etwas motzig und lässt mich das andere nicht mehr ansehen. Zeit zu gehen.

 

Ich will noch zu Carrefour und meine Vorräte etwas aufstocken. Auf dem Weg durch die Unterführung stelle ich fest, dass ich in einem unterirdischen Einkaufszentrum gelandet bin. Und zwar im Teil und Stockwerk für Damenoberbekleidung. Eins tiefer gibt es dann Damenhosen. Irgendwo gibt es Schuhe und die Männereinkaufsstadt liegt auch noch anderswo. Das wäre ja eine gute Gelegenheit noch ein oder zwei T-Shirts nachzukaufen, aber Klamotten kaufen ertrage ich in China eigentlich nicht. Sobald ich den Arm ausstrecke und irgendetwas berühre, werde ich förmlich angesprungen und in den Laden gezerrt. Das ist heute nicht anders. Also ziehe ich ab.

 

Bei Carrefour passiert das natürlich auch gleich noch einmal. Und irgendwie gibt es auch absolut kein Hilfsmittel dagegen. Meist dauert es keine zehn Minuten, da wandelt sich mein Wunsch ein Kleidungsstück zu erwerben in den Wunsch, doch lieber mit einem Boxsack heimzukehren. Also kaufe ich Kaffee und neue Erdnussbutter und eine Sprite mit Kokosgeschmack und ohne, welch Wunder, Zucker. Bei den Fettmengen im Essen, der Fülle an Snacks und Süßigkeiten (man kann hier allen Ernstes am Topfboden festgebrannten Reis in Portionsgrößen in Plastik eingeschweißt kaufen) und all den süßen Getränken wundere ich mich ohnehin regelmäßig, dass es nicht noch deutlich mehr deutlich dickere Chines*innen gibt. Ich fahre heim, esse eine halbe Tüte Salat und gehe dann zum Jiaoziladen.