02Dezember
2019

Ab in den Norden

In Peking geht‘s weiter in Richtung Sicherheitskontrolle. Fingerabdrücke abgeben, immigration card ausfüllen, nochmal Fingerabdrücke überprüfen, Gesicht scannen lassen. Dann gibt‘s den Einreisestempel in den Pass und es geht auf zum Transfer. Bis das auf recht langen Gängen mit kurzen Fahrten des Flughafenshuttles dann einschließlich weiterer Kontrollen alles erledigt ist, ist schon fast boarding time für den Flug ins noch einmal über 1000km entfernt liegende Harbin. Noch ist es dunkel.

 

Ich besteige den deutlich kleineren Flieger schon als eine der letzten. Nach ein paar Minuten Wartezeit und einer kurzen Unterhaltung mit meinen Nachbarn erscheint nicht nur langsam der erste Silberstreif am Horizont, sondern es geht auch zusammen mit der aufgehenden Sonne hoch in die Lüfte. Ein wunderschönes Farbspiel zeichnet sich am Himmel ab.

 

Oben angekommen kündigt das Boardpersonal dann die Ausgabe der morgendlichen Snacks an. Ein Wagen voller eingeschweißter Muffins. Ich frage mal nach, ob es für mich auch noch eine Extrawurst gibt. Und ja, die haben sie dabei: Toastbrot ohne Rand, eins belegt mit Radicchio, eines mit zwei Scheibchen geschälter Gurke. Ich nenne das mal ausbaufähig.

 

Im Landeanflug sieht man die erste Schneeschicht, die wie Puderzucker die Erde bedeckt. Es ist deutlich kälter. Nachdem ich auch meinen Koffer wieder habe, kaufe ich mir eine Fahrkarte für den Bus in die Innenstadt und gehe um kurz vor neun Ortszeit erst mal Kaffee und Pommes frühstücken, denn so viel Auswahl hat der Flughafen nicht zu bieten.

 

Auf der Fahrt in die Stadt und dem sich anschließenden Spaziergang zur Sprachschule bekomme ich zumindest einen ersten Eindruck von Harbin. Nicht zu groß, nicht zu klein, ziemlich kalt, und überall kratzen Menschengruppen in neonfarbenen Anzügen mit Hacken Eis von Straßen und Gehwegen. Und weil nicht gestreut und auch nicht gesalzen wird, ist es teilweise ganz schön rutschig.

 

Gegen elf bin ich dann an der Sprachschule, das reicht für die ersten Absprachen, dann machen die erst einmal Mittagspause. Auch gut, ich lasse meinen Koffer da und gehe eine Runde um den Block, die erste Nudelsuppe essen und einmal über‘s Gelände des Harbin Institute for Technology. Knapp zwei Stunden später noch ein bisschen Papierkram und dann bringt mich eine Frau, nennen sie wir mal Ayi, zu meinem Zimmer. Ich teile in den nächsten Wochen mit einer jungen Koreanerin eine Zweizimmerwohnung, doch jetzt ist sie nicht da.

 

Das Zimmer ist ok, mit Pullover ist es drinnen kaum auszuhalten. Ayi meint, wenn irgendwas los sei, soll ich ihr ein Bild per WeChat schicken, zum Beispiel wenn das Licht nicht geht. Ayi geht, ich packe erstmal ein paar Sachen um und meine Mitbewohnerin taucht auch auf. Ich habe sie zur Begrüßung erfolgreich erschreckt, denn sie hat wohl nicht mit mit gerechnet. Mehr als Dauerkichern bekomme ich daraufhin auch nicht mehr aus ihr heraus.

 

Das Lampenproblem taucht dann schon gut zwei Stunden später wieder auf. Aus dem Stecker der Schreibtischlampe sprühen Funken. Ayi kommentiert das mit „Ich weiß!“ Das war ja auch genau das, was ich in der Situation als erstes erfahren wollte. Sie hat mir für morgen eine neue Steckerleiste und eine neue Lampe versprochen. Ich bin mal gespannt und nehme heute mit dem brummenden Neonlicht Vorlieb.

 

Dann ziehe ich noch ein bisschen durchs Viertel, das recht belebt zu sein scheint. Bleibe staunend vor einem Pullover mit der Aufschrift „Christiane F.“ (brauch ich den?) stehen, besorge Hefte, Becher (mit Flamingos), Klopapier (ohne Flamingos) und Abendessen. In dem kleinen Restaurant gibt‘s nur warmes Schwarzbier aus Dosen. Angeblich mit „deutschem Geschmack“. Ok, vielleicht wenn man es in offenen Fässern auf dem Seeweg nach China bringt, ansonsten trifft‘s „ungenießbar“ deutlich besser.

 

Und dann treffe ich doch noch einmal auf meine Mitbewohnerin. Wir sitzen morgen auch im gleichen Kurs. Und sie hat mir zwei koreanische Gesichtsmasken als Willkommengeschenk überreicht.