20Dezember
2019

Rundgang durch die Innenstadt - Sophienkathedrale, Songhua, Zhongyanglu

Morgens treffe ich eine Kurskollegin beim Baozikauf. Sie ist für einen Monat in Harbin, weil sie in China an einem chinesischsprachigen Masterprogramm teilnehmen will und dafür ihr Chinesisch noch etwas aufpolieren will. Im Erdgeschoss der Sprachschule trennen sich unsere Wege kurz. Sie nimmt den Aufzug, ich die Treppe. Nach knapp drei Wochen habe ich mich an sechs Stockwerke am Morgen gewöhnt. Neulich bin ich zu Hause auch zu weit nach oben gestiegen, ohne es zu merken. Wir besprechen die Hausaufgaben und beginnen die nächste Lektion. Ich denke, oh je, jetzt ist ja länger Pause, und habe dabei ganz vergessen, dass nur in Deutschland heute die Weihnachtsferien beginnen.

 

Im zweiten Kurs diskutiert die eine Kurskollegin wieder ganz begeistert Hochzeiten. Das macht sie irgendwie jedes Mal, wenn sie mal da ist und sie schafft es auch von jedem Thema dorthin zu kommen. Wie gut, dass „zurück zum Thema“ heute im Text drankommt. Den anderen Kurskollegen interessiert das so gar nicht, und er demonstriert das auch immer ziemlich deutlich. Allerdings sehe gute Chancen, dass er sich in der nächsten Zeit persönlich nicht damit beschäftigen muss. Außer vielleicht, er erhöht zeitnah seine Duschfrequenz deutlich.

 

Nachmittags nehme ich den Bus zur Innenstadt. Es ist kalt, aber die Sonne scheint und so viele helle Stunden hat der Tag hier im Winter nicht. Ich will zur Sophienkathedrale. Da komme ich recht bequem mit dem Bus hin, nur wird die wohl gerade renoviert, weshalb ich nicht hinein komme. Ich bleibe auf dem Platz davor, beobachte die Selfieknipser und die Eisweghacker und gehe dann fröstelnd weiter.

 

 

Nach ein paar Minuten bin ich in einem Straßenzug angelangt, in dem es Musikinstrumente zu kaufen gibt. Ein Geschäft reiht sich an das nächste. Ich sehe Celli und Banjos, Ukulelen und Klavierwerbung. Die Häufung von Geschäften eines Typs ist total typisch und letztlich auch irgendwie praktisch.

 

Noch ein paar Minuten später bin ich am Ufer des Songhua. Er ist zugefroren und schneebedeckt, die Boote, die ihn sommers queren, sind festgefroren. Ein paar chinesische Reisegruppen folgen ihren Reiseleiterinnen, die große Fahnen vor sich hertragen und per Minimegaphon die Szenerie vorstellen. Ich bin jetzt gut eine Stunde unterwegs. Mir ist so richtig kalt.

 

 

Ich verlasse die Promenade am Fluss (die heißt auch Stalin Park!) vorbei an der Stele, die auf die erfolgreiche Bezwingung der Naturgewalt Wasser erinnert, die in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts viele Todesopfer forderte, und verziehe mich in ein Kaufhaus. Da wird geheizt. Und dort gibt es reihenweise Automaten, an denen man versuchen kann mit einem Greifarm scheußliche Kuscheltiere zu ergattern. Und es gibt Läden voller Mützen. In allen Farben und mit viel Fell. Als mir wieder warm ist, gehe ich weiter. Vor dem Ausgang stehen Stände, die Grillspieße, Obstspieße oder Stinketofu verkaufen. Den Stinketofu riecht man meilenweit gegen den Wind.

 

 

 

Ich gehe die Einkaufsstraße, angeblich Chinas längste Fußgängerzone, die Zhongyanglu, entlang. Die Häuser sind niedrig, manche noch aus den 1920er Jahren. In vielen befinden sie Bekleidungsgeschäfte, sogar H&M hat sich hier niedergelassen. In der ein oder anderen Querstraße stehen kleine Buden. Was hätte ein netter Weihnachtsmarkt werden können, ist leider wieder nur eine Anlaufstelle für Spieße und Stinketofu. Und schwarzen Tofu. Keine Ahnung, was das ist, aber ich bin heute nicht in Probierlaune.

 

 

 

Abgesehen von Bekleidungsgeschäften gibt es hier auch einige russische Läden und Restaurants, die auch auf Russisch beschildert sind. Harbin hat ungefähr eintausend russische Einwohner. Und garantiert deutlich mehr russischen Tourismus. Wobei es Chines*innen sein dürften, die hier die russischen Waren kaufen. Man kann auch alle paar Meter Matrjoschka (Puppen in der Puppe) kaufen. Ich dachte ja, die seien seit 20 Jahren out. Und einen russischen Supermarkt scheint es auch zu geben.

 

 

Als mir wieder kalt ist, gehe ich noch einmal in ein Kaufhaus. Das hat praktischerweise einen Supermarkt im Untergeschoss, in dem ich noch schnell den Einkauf erledigen kann. Und hier gibt es Flensburger Bier. Ich habe irgendwelchen eingelegten Tofu gekauft. Sieht aus wie Hühnerfleisch. Schmeckt ungebraten allerdings seltsam. Voll nach Schnaps.

 

Als ich das Kaufhaus verlasse, ist es gegen sechzehn Uhr und dunkel. Die Einkaufsstraße erscheint im Schein der Lichterketten, die sie schmücken. Sieht nicht schlecht aus. Wärmt aber nicht. Ich nehme den Bus nach Hause. Den, der zwei Yuan kostet. Nicht nur einen. Dafür bekomme ich da auch einen Sitzplatz. Wir zuckeln ein paar Kilometer durch den Feierabendverkehr. Der Busfahrer flucht.