04Januar
2020

Konfuziustempel, Keller, Kichererbsen

Ich bin zur üblichen Zeit gegen halb sieben wach. Heute Nacht habe ich vergleichsweise gut geschlafen. Leider ist der Brummschädel mit mir aufgestanden. Ich mache mir erst einmal einen Kaffee. Draußen hat es noch frische minus sechzehn Grad, da muss ich nicht hetzen. Drum lasse ich den Morgen ruhig angehen, bis ich mich an ein bisschen morgendliches Sportprogramm wage. Das läuft auch tatsächlich ganz gut. Zumindest besser als erwartet.

 

Zum Frühstück gibt‘s Jiaozi auf Gemüsebett. Während der Topf auf dem Herd steht, gehe ich duschen. Tja, auf einmal ist es dann schön dunkel im Bad. Strom für den Herd auf Stufe sechs und einen heizenden Boiler ist wohl zu viel für verlangt.

 

Kurz vor zwölf breche ich auf, nehme den Bus in die Innenstadt. Heute will ich den Besuch im Konfuziustempel nachholen. Dafür muss ich wieder zu der Station fahren, an der ich letzte Woche schon war. Auch heute ist der Bis vergleichsweise voll. Ein kleines Mädchen schläft während der Fahrt ein, ein anderes schneidet mit mir um die Wette Grimassen. Die Mutter findet es lustig.

 

Ich steige aus und mache mich auf die letzten paar hundert Meter zum Tempel. Erst einmal über eine große Kreuzung, auf der ich einen Schnappschuss mache. Hier sieht man einen Boten auf einem Roller, der sicherlich gerade seinen chinesischen Traum verwirklicht. Nicht.

 

 

Dann weiter, vorbei an vielen kleinen Restaurants und Geschäften. Vor den Obstläden liegen schwarze Früchte. Birnen oder Äpfel, die in der Kälte gelagert wurden und deswegen schwarz geworden sind. Ist hier eine Spezialität. Dann geht es noch an einem Militärgelände vorbei. Kurz vor dem Tor sind gerade zwei junge Kerle mit ihren bunten Waschschüsseln unter dem Arm unterwegs. Sieht ganz lustig aus. Aber die petrolfarbenen Fellmützen der Luftwaffe sind farblich schicker.

 

Vor dem Konfuziustempel wiederholt sich das Spiel, das ich schon vom Heilongjiang-Museum kenne. Pass scannen, Eintrittskarte entgegennehmen. Es gibt noch eine Warnung, nicht zu nah an den Schalter heranzutreten dazu. Frisch gestrichen. Ich glaube, sie haben extra einen Warnenden abgestellt. Ich gehe hinein und muss meine Eintrittskarte gleich wieder abgeben. So spart man auch Papier.

 

Im Konfuziustempel, der in den 1920er Jahren erbaut wurde, befindet sich heute das Museum der nationalen Minderheiten der Provinz Heilongjiang. Das Museum ist in mehreren Gebäuden untergebracht, lediglich eines davon ist so etwas ähnliches wie halbwegs geheizt und die komplette Beschriftung, vom Wegweise zum Klo mal abgesehen, ist auf chinesisch.

 

 

Ich gehe erst einmal durch die Anlage hindurch und verschaffe mir einen kleinen Überblick. Auch hier ist nichts los, nur ein paar Leute sind unterwegs. Ich beginne meine Besichtigung im hintersten Gebäude, dem mit der Heizung. Man kann sich einen kleinen Film (ungefähr in diesem Stil) über die Ewenken ansehen, in dem die Minderheit in bunten Bildern und bei der Herstellung sogenannter Sonnenmädchen (taiyang guniang) vorgestellt wird.

 

In einem anderen Schaukasten kann man die im Norden wohnenden Minderheiten als Miniaturen bei ihren Freizeitbeschäftigungen bestaunen. Zwei dicke Männer boxen. Das sind Mongolen. Ich gehe weiter. Im nächsten Gebäude gibt es echte Bilder von echten Menschen die vielleicht sogar echt einer Minderheit angehören. Sie tragen alle irgendwelche Trachten. Oder auch oben ohne. So wie die beiden dicken Mongolen. Ähm, ja.

 

Unter den Fotos ist ein Boot ausgestellt. Es ähnelnd einem Kanu und ist aus Holz und irgendwas, das vielleicht Bast sein könnte, gefertigt. Zwei Frauen tauchen auf, es könnten Mutter, schätzungsweise über siebzig, und Tochter, schätzungsweise Mitte vierzig, sein. Die Tochter erklärt der Mutter alles. Das Boot, die Bilder von den Minderheiten, und auch dass China früher mal größer war, bevor es Teile des Landes verloren hat. Die Mutter nickt und macht Fotos. In einem anderen Gebäude sind Kleidungsstücke ausgestellt und ein paar Puppen, als Ewenken gekleidet, sitzen vor einem Zelt. Ich verlasse die Anlage und gehe zum Mittagessen. Es gibt ganz frische Nudeln mit Gemüse.

 

Vom Restaurant aus gehe ich ein Stück zu Fuß zurück. Auf dem Hinweg habe ich gesehen, dass es entlang der großen Straße wieder unterirdische Einkaufspassagen geben muss. Ich will mal schauen, was es da so gibt. Also gehe ich erst einmal einige Minuten zu Fuß. Die Straße zu überqueren wird dann noch ganz spannend, denn die Fußgängerampel und die für die Fahrzeuge sind gleichzeitig grün bzw. rot. Ich gehe einfach mal den anderen Passanten hinterher.

 

Der Untergrundmarkt beginnt mit einer Lebensmittelabteilung. Es ist praktisch eine langgezogene Markthalle, in der alles mögliche feilgeboten wird. Obst, Gemüse, Backwaren, frisches Meeresgetier, Fleisch. Es gibt auch einen kleinen Speisebereich. Und einen Laden, der getrocknete Waren verkauft. Ich nehme ein Tütchen Kichererbsen mit. Dann geht es mit der Bekleidungsabteilung weiter. Und mit etwas Spielzeug. Plötzlich taucht eine Rolltreppe und eine zweite Etage auf.

 

Im zweiten Untergeschoss befindet sich eine Art Antiquitätenmarkt. Hier gibt es allen Ramsch, den man schon immer mal nicht besitzen wollte. Propagandaposter, Vasen, Anstecker, Blumentöpfe, Singvögel in kleinen Käfigen, Geldscheine, Bierflaschen aus aller Welt (Keiler!), Bücher. Die Hälfte der mit Glaswänden voneinander abgetrennten Läden ist ohnehin geschlossen. In den anderen sitzen meist gelangweilt wirkenden Männer mittleren Alters, die sich oft genug nicht an das geltende Rauchverbot halten. Ich fahre wieder hoch.

 

Dann gehe ich noch ein Stück an Bekleidungsgeschäften vorbei. Und komme der U-Bahn-Station näher. Hier gibt es Fastfoodtempel und nochmal eine Rolltreppe nach unten. Mal sehen, was dort ist. Ein Schild weist auf Sport hin. Im Keller? Unten angekommen finde ich, hinter Glas, ein Taekwondostudio mit ein paar kleinen Kindern drin, die gerade trainieren. Ich beneide sie ja durchaus um ihren Mattenboden und ihre Spiegelwand. Ich gehe weiter. Mitten in der sonst verlassenen Passage stehen Tischtennistische, um die herum Chines*innen mittleren und höheren Alters Tischtennis spielen. Alle nicht sonderlich gut, die Bälle fliegen munter durch die Gegend, aber bei sonderlich guter Laune. Ich muss grinsen. Wieder oben angekommen, nehme ich den nächsten Bus nach Hause zurück.

 

Der Nachmittag vergeht, es wird Abend. Auf zum Abendessen. Während ich die Straße herab gehe, überlege ich, was es denn sein soll. Den Straßenrand säumen in erster Linie Nudelbuden. Darauf habe ich keine Lust. Ähnlich verhält es sich mit Gegrilltem oder Feuertopf. Schließlich entscheide ich mich einfach mal ein Restaurant zu betreten, vor dem ich schon häufiger stand. Direkt am Eingang lasse ich mir die Karte geben. Viele bunte Bildchen. Die Spezialität sind Fleischberge. Aber nachdem sie auch noch was anderes haben, bestelle ich Tofu und Eierfrucht und setze mich hin.

 

Man zahlt vier Yuan extra, dafür gibt es Reis so viel man will und alkoholfreie Getränke zum Selberzapfen. Und Popcorn ist auch dabei, wenn man mag (und noch welches da ist). Ich nehme erst einmal irgendwas mit Zitrone und dann Sprudelwasser. Das erste Wasser mit Kohlensäure seit über einem Monat. Tofu und Eierfrucht kommen in hübschen Schalen. Der Tofu ist gut, allerdings mal wieder nicht scharf.

 

Das Pärchen am Nachbartisch bestellt das siebte Bier. Pro Person. Sie meint, das sei dann aber das letzte. Alkohol trinkende Frauen sieht man ja schon selten, so viel trinkende so gut wie nie. Als sie zum Klo geht, versucht er sie zu begleiten, was aber nicht so recht gelingen mag. Er wankt etwas. Sie schickt ihn zum Tisch zurück.