15Januar
2020

Seifenoper

Wir sitzen heute wieder nur zu zweit im Unterricht, aber heute gibt es trotzdem Diktat. Eine gute Seite. Für meine russische Mitschülerin ist es heute der letzte Tag im warmen Harbin. Morgen früh fliegt sie zurück nach Hause nach Sibirien. Sie freut sich sichtlich. Endlich ist sie auch das chinesische Essen los, das sie nicht mag. Zumindest ist ihr auf Nachfrage hin kein Gericht eingefallen, das sie mag. Die Lehrerin will wissen, wie warm es in Sibirien gerade ist. Die Mitschülerin sucht schnell auf dem Handy, minus 34 Grad, das sei eigentlich ganz ok. Was sie denn da anziehe, fragt die Lehrerin entsetzt. Ein bisschen mehr als heute, meint sie.

 

Im Konversationskurs kommt nach ein paar Minuten ein neuer Mitschüler hinzu. Er ergänzt ganz fabelhaft den, der nicht duscht. Er wäscht nämlich ganz offensichtlich seine Klamotten nicht. Leider sieht man das nicht nur an den Flecken auf der Vorderseite seines Pullovers und den Dreckrändern an Ärmeln und Kragen. Man kann es auch ohne die Augen zu nutzen wahrnehmen. Der nicht duschende hat dank trockener Luft ein Problem mit seiner Haut, die ist nämlich auch trocken. Der nicht waschende empfiehlt Vaseline. Das lehnt der nicht duschende aber ab. Ich brauche echt keine chinesischen Seifenopern.

 

Mittags gibt‘s die Reste vom Vortag und Hausaufgaben. Nachmittags noch die Reste vom Mittagessen. Eigentlich alles nicht gerade viel, aber ich fühle mich voller als mir lieb ist. Irgendwie träge. Und meine Zweck-WG nervt mich heute wieder. Die Erfindung von Klinken ist hier noch angekommen, und wenn ich mich früher immer über WGs amüsiert habe, in denen jeder eine eigene Tüte Milch im Kühlschrank hatte, so freut mich heute doch sehr, dass wir sogar jede eigenes Klopapier haben, natürlich auch in unterschiedlichen Farben. So muss ich mich nämlich nicht für das verantwortlich fühlen, das oft genug neben dem Mülleimer liegt. Ja, man schmeißt das in den Müll, nicht ins Klo! Statt Sport mache ich an der neuen Mütze weiter. Da sehe ich schneller Erfolge.